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Wie kann ich verhindern, dass sich meine Welt verändert?

Wie kann man mit Unsicherheiten umgehen? Diesen Fragen begegnen Menschen in verschiedenen Kulturen unterschiedlich. Wie, wird durch die Kulturdimension „Unsicherheitsvermeidung“ beschrieben.

Eine der sechs Kulturmerkmale – neben Kollektivismus versus Individualismus, Machtdistanz, Maskulinität versus Femininität, Lang- versus Kurzfristigkeit und Genuss versus Askese – von Geert Hofstede. Er ist zwar umstritten, weil seine Konzepte, wie sich Kulturen voneinander unterscheiden, sehr vereinfachend sind.

Allerdings brauchen komplexe Zusammenhänge einfache Erklärungen, damit man verstehen kann. Wichtig ist es, sich immer bewusst zu sein, dass Menschen aus ein und derselben Kultur sehr unterschiedlich sein können.

Kulturbeschreibungen dienen der Orientierung dafür, was man ungefähr erwarten kann. Nur ungefähr erwarten. Denn es heißt:

„Jedes Kind ist anders. Jeden Tag.“

Erwachsene ebenso.

Deswegen ist es notwendig, immer wieder den Menschen vor sich zu beobachten.

Beim Konzept der Unsicherheitsvermeidung betrachtet man, wie Kulturen mit Unsicherheiten oder Neuem umgehen.

Kulturen, die Unsicherheiten vermeiden, betrachten Neues argwöhnisch und reagieren auf Veränderungen misstrauisch.

Sie gehen davon aus, dass das, was von Außen kommt, gefährlich ist. Und das, was aus der eigenen Gruppe kommt, harmlos.

Sorge ist der ständige Begleiter. In diesen Kulturen versucht man, so viel wie möglich zu kontrollieren, um alles so beizubehalten, wie es ist.

Kulturen, die Unsicherheiten als Teil des Lebens betrachten, sind nicht unbedingt mit jeder Veränderung einverstanden.

Oder erfreut darüber.

Doch die Menschen in solchen Kulturen reagieren auf sie, indem sie sich z.B. sagen: „Ich weiß noch nicht, wie ich das lösen werde, aber irgendeine Lösung wird mir schon einfallen.“

Sie finden ihre Sicherheit im Inneren und sind Neuem gegenüber eher neugierig.

Wie kommt es, dass die einen Kulturen bestrebt sind, Unsicherheiten zu vermeiden, andere nicht?

Es hängt damit zusammen, was Kulturen in den letzten Generationen erlebt haben und was sie heute erleben.

Es gibt Länder, in denen seit Jahrzehnten Krieg herrscht – wie Afghanistan. Und Staaten, auf deren Territorien noch nie ein Krieg war – wie in Marokko. Ebenso gibt es Länder, in denen es offiziell keinen Krieg (mehr) gibt und in denen die Menschen dort dennoch Unvorstellbares erleben – wie im Irak.

Es reicht ein Blick auf The Baghdad Bomb Map, um zu erahnen, wie das tägliche Leben dort aussieht. Jeder rote Punkt steht für einen Anschlag, bei dem ein bis mehrere Menschen ums Leben kamen.

Wenn man in einer solchen Stadt um’s Eck Brot kaufen geht, weiß man nicht, ob man wieder nach Hause zurückkommt.

Aber auch hierzulande haben der Dreißigjährige Krieg und die beiden Weltkriege ihre Spuren hinterlassen.

Die Amerikaner haben das vor Jahren erkannt und „The German Angst“ genannt. Ein Begriff für die Zögerlichkeit, geringe Risikofreude und das „Teufel-an-die-Wand-malen“. Eine Angst und Ängstlichkeit, die auch Generationen nach den Kriegen hierzulande noch zu spüren ist.

Wieso ist diese Angst viele Jahre danach noch da?

Diese Angst ist vererbt. Angst, die nicht verarbeitet werden kann, wird vererbt. Wenn Kinder beispielsweise im zweiten Weltkrieg bereits so alt waren, dass sie verstehen konnten, dass ihre Bezugspersonen immer dann Angst hatten, wenn die Bomber kamen, konnten sie ihre Gefühle verstehen und verdauen.

Wenn jedoch Säuglinge bei Fliegeralarm in der Nacht aus dem Bett gerissen wurden und mit ihren Müttern in den Luftschutzkeller flohen, konnten sie nur die Angst spüren, jedoch die Zusammenhänge nicht erkennen. Ihre Erlebnisse vererbten sie unverarbeitet an ihre Nachkommen weiter.

Sabine Bode ist Expertin auf dem Gebiet der „Kriegsenkel“ und erklärt den Prozess im Kurzvideo Über das Erinnern von Kriegskindern und Kriegsenkeln

Angst funktioniert üblicherweise so: Man erlebt eine Situation als bedrohlich und hat dann Angst.

Bei vererbter Angst ist es jedoch umgekehrt. Man verspürt diffuse Angst und weiß nicht so recht wieso. Wenn einem jedoch beispielsweise Politik oder Medien sagen, wovor man Angst haben muss, ist man richtig erleichtert, weil man die „Vorahnung“ nun endlich „ deuten“ kann.

Da der Zweite Weltkrieg noch nicht so lange her ist, konnte man bisher noch nicht erforschen, über wie viele Generationen hinweg sich diese Angst vererbt.

Würmer jedoch, haben eine sehr viel kürzere Lebensspanne als der Mensch. Bei ihnen kann man dadurch mehrere Generationen beobachten. Hier hat man entdeckt, dass sich Veränderungen in der DNA bis in die 14. Generation weiter vererben.

Was das für den Menschen bedeutet, kann man nur erahnen, wenn man bedenkt, was während der letzten 14 Generationen alles passiert ist.

Innerhalb der verschiedenen Kulturen beantworten die Menschen natürlich auch unterschiedlich die Frage: Wie kann man mit Unsicherheiten umgehen?

Auch da kommt es darauf an, was Menschen erlebt haben. Ob es viel Unsicherheit in ihrem Leben gegeben hat wie: viele Ortswechsel, Scheidung oder Arbeitsplatzverluste der Eltern, Tod von Nahestehenden, …

Allerdings hängt der Umgang mit Unsicherheiten nicht nur vom Erlebten ab, sondern auch davon, wie man darauf reagiert. Manche Menschen sind unglaublich resilient.

Interessant ist auch, dass uns nicht unbedingt die tatsächliche Situation beeinflusst, sondern wie wir sie wahrnehmen.

Menschen, die Unsicherheiten vermeiden, tun sich schwerer, sich in einem neuen Land einzuleben, eine neue Sprache zu lernen, neue Menschen kennen zu lernen, sich auf neue Umgangsformen einzulassen.

Menschen, die Unsicherheiten vermeiden, tun sich jedoch auch schwerer, wenn sich die Zeiten ändern, neue Menschen dazukommen, sie neue Sprachen hören, neue Formen der Bekleidung im Straßenbild zu sehen sind.

Der Großteil des Lebens besteht aus Wandel und Veränderung

Die Wahl besteht nur darin, ob man sich entgegenstellt oder ob man sich damit weiterentwickelt.

Aus der Geschichte weiß man, dass die Kulturen, die sich nach außen abgeschottet haben, recht rasch untergegangen sind. Während Kulturen, die offen für den Austausch mit anderen waren, aufgeblüht sind.

Interessanterweise wächst bei Mäuseembryos, deren Mütter in Angst leben, verstärkt die Muskelmasse. Während bei den Embryos, deren Mütter sich sicher fühlen, mehr die Gehirnmasse wächst.

Wenn man Angst hat, kann man nicht lernen. Angst schwächt das Immunsystem massiv. In der Angst fällt es auch schwer, gute Entscheidungen zu treffen.

Und dennoch kann man Angst nicht einfach wegreden.

Wenn Sie es mit Menschen aus unsicherheitsvermeidenden Kulturen zu tun haben, ist es wichtig, ihnen so viel Halt wie möglich zu geben. Ihnen Zeit zu lassen. Und ihnen zuzuhören – wenn es möglich ist.

Damit sie sich nach und nach von der Angst befreien können.

Was man von Menschen lernen kann, die Unsicherheiten bereits gemeistert haben, lesen Sie hier: 5 bewährte Lösungen für diese Krise

 

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