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Wie erkläre ich den Eltern, dass es wichtig ist, sich an bestimmte Vereinbarungen zu halten?

Immer wieder wird mir bei Seminaren die Frage gestellt: „Wie erkläre ich den Eltern, dass es wichtig ist, sich an bestimmte Vereinbarungen zu halten?“

Manchmal wirkt das dann so, als ob muslimische Eltern keine Regeln einhielten. Beim Nachfragen erfährt man dann, dass es oft nur die eine oder andere Familie betrifft. Und man erfährt, dass es in gewissen Bereichen Missverständnisse gibt. Und Unwissenheit.

Manchmal ist es – wie im interkulturellen Bereich so oft – der Fall, dass man die Zeichen falsch versteht

Es ist wie bei Hund und Katze. Wenn die Katze mit dem Schwanz wedelt, könnte der Hund meinen, sie ist in Spiellaune. Ist sie aber nicht. Das kann der Hund nicht wissen, weil er von sich ausgeht.

Auch im interkulturellen Bereich geht man oft davon aus, schon zu wissen, was dieses oder jenes Zeichen bedeutet. Man deutet diese Zeichen dann manchmal als Respektlosigkeit. Als Desinteresse. Als mangelndes Engagement. Häufig zu Unrecht. In diesem Kurzvideo erfahren Sie die Bedeutung solcher Zeichen: Alman – Kanak & Kanak – Deutsch | Der Kultur Dolmetscher

Doch, wie erkläre ich den Eltern, dass es wichtig ist, sich an bestimmte Vereinbarungen zu halten?

Vereinbarungen werden in verschiedenen Kulturen unterschiedlich getroffen. Rund um die Vereinbarungen gibt es häufig Rituale.

In Mitteleuropa sind viele Vereinbarungen schriftlich. Das verleiht ihnen eine gewisse Bedeutung. Oft ist es vorgesehen, dass diese Vereinbarungen auch unterschrieben werden. Wenn man diese unterschreibt, bedeutet das, dass man sich an die vereinbarten Punkte halten wird.

Das Unterschreiben ist dabei das Ritual und geschieht pro Vereinbarung üblicherweise nur einmal.

In vielen muslimischen Kulturen werden Informationen, die wichtig sind, mündlich weiter gegeben. Wenn man etwas mündlich übermittelt, kann man dabei sehr gut in Beziehung gehen. Und diese Beziehung ist die Grundlage des Miteinander-Lebens in der muslimischen Welt.

Bei Vereinbarungen ist dieses In-Beziehung-gehen noch viel wichtiger. In dem Austausch miteinander kann man am Einhalten der Vereinbarung auch dran bleiben. Bei einer Abweichung davon wird häufig sofort und klar reagiert.

Eine Vereinbarung ist hier nicht nur eine einmalige Handlung, sondern eine neue Gelegenheit, in Beziehung zu gehen. Handschlagqualität zählt mehr als „geduldiges Papier.“ Die Beziehung ist hier das Ritual.

Für manche Muslim*innen wirkt ein Blatt, das man überreicht bekommt und unterschreiben soll, sehr nüchtern und wie „im luftleeren Raum.“ Es fehlen die Beziehung und die Verbindung und die Vereinbarung wirkt damit zusammenhanglos und unverbindlich.

Damit Vereinbarungen im interkulturellen Bereich gut funktionieren können, ist es wichtig, so zu handeln, wie es am erfolgversprechendsten ist

Das ist dann der Fall, wenn man Denk-und Handlungsmuster des Gegenübers versteht und miteinbezieht und erklärt, wie beispielsweise Vereinbarungen üblicherweise getroffen werden. Und was man erwartet.

Vieles, was für Menschen, die hierzulande in die Schule gegangen sind, selbstverständlich ist, erschließt sich für Menschen, die andere Erfahrungen haben, nicht von selbst.

Deswegen ist es wichtig, auch Alltägliches verständlich zu erklären.

Wenn es geht, ohne paternalistisch zu wirken.

Manche Eltern nicken, auch wenn sie nicht verstanden haben. Das „Ja“ auf die Frage: „Haben Sie verstanden?“ ist manchmal auch ein höfliches „Nein“.

In einigen muslimischen Kulturen wird in der Erziehung vieles vorgegeben. Man erwartet sich, dass Kinder auf Erwachsene hören, ohne viel zu hinterfragen. Oft wird auch genau überwacht, manchmal von mehreren Menschen, dass das Aufgetragene auch ausgeführt wird.

Dieses Muster prägt sich ein und bleibt manchmal ein Leben lang bestehen. Aus diesem Grund fällt es manchen schwer, in Kulturen, die Selbstverantwortung voraussetzen, zu handeln, ohne begleitet zu werden. Insbesondere wenn noch dazu nicht auf Beziehungspflege geachtet wird.

Vielen ist auch wichtig, zu verstehen, warum es notwendig ist, gewisse Vorgaben einzuhalten

Manchen Eltern beispielsweise ist nicht bewusst, dass Schule hierzulande auf der Zusammenarbeit zwischen Lehrenden, Kindern und Eltern beruht. In einigen Länder funktioniert Schule nach dem Prinzip: Die Eltern mischen sich in der Schule nicht ein. Und die Lehrenden nicht im Elternhaus. Deswegen ist es manchen muslimischen Eltern unbekannt, dass auch sie Aufgaben in Bezug auf die Schule haben, wie ihre Kinder beim Lernprozeß zu unterstützen, usw.

Für einige Eltern ist es neu, dass man zu bestimmten Zeiten kommen muss, um mit Lehrenden zu reden. Und diese Zeiten auch genau einhalten muss. Denn in manchen Kulturen können mehrere Dinge gleichzeitig geschehen, während in Mitteleuropa diese üblicherweise nacheinander ablaufen. Also z.B. zuerst eine Besprechung, dann Essenspause, danach Telefonate, usw.

In polychronen Kulturen jedoch kann dies alles gleichzeitig ablaufen. Deswegen ist es für manche verwunderlich, warum man nicht einfach irgendwann kommen kann, solange die Schule offen hat.

In manchen Kulturen wird Zeit auch nicht als ein Gut erachtet, das davon rennt oder mit dem man sparsam umgehen muss. Manchmal auch deswegen, weil man nach der inneren Uhr lebt und sich nicht von der äußeren Uhr diktieren lässt. Nicht auf die Minute genau zu kommen, hat hier nicht die Bedeutung von Respektlosigkeit.

Wie erkläre ich den Eltern, dass es wichtig ist, sich an bestimmte Vereinbarungen zu halten?

1. In der Arbeit mit muslimischen Eltern ist es wichtig, möglichst von Anfang an eine gute Beziehung aufzubauen und zu pflegen. Dann kann man, wenn eine Vereinbarung zu treffen ist, bereits darauf aufbauen.

2. Bevor man etwas vereinbart, ist es wichtig, sich selbst klar zu machen, was genau vereinbart werden soll und was man sich erwartet. Viele Missverständnisse passieren, weil man zwar selbst eine innerliche Vorstellung vom gewünschten Ergebnis hat, diese aber nicht deutlich genug zum Ausdruck bringt. Deshalb ist es von so großer Bedeutung, ausführlich zu beschreiben, was man sich erwartet. Denn das Gegenüber stellt sich möglicherweise etwas anderes vor und geht von anderen Erwartungen aus.

3. Darüber hinaus ist es auch hilfreich, die Vereinbarung aus einer wohlwollenden Autorität heraus zu treffen. Die Kombination von Wohlwollen und Führungshaltung ist die Kombination, die in diesem Bereich am erfolgversprechendsten ist.

4. Nachdem die Vereinbarung getroffen wurde, ist es häufig sinnvoll, dran zu bleiben, immer wieder daran zu erinnern und schnell zu reagieren, wenn sie nicht eingehalten wird. Das mag zwar aufwendig klingen, ist jedoch sehr hilfreich, wenn einem an der Vereinbarung etwas liegt.

5. Überlegen Sie, warum es wichtig ist, dass die Eltern sich an die Vereinbarung zu halten und erklären sie es ihnen wie es ist. Nicht immer erschließt sich der Sinn von Regeln für Menschen, die mit dem Geschehen nicht vertraut sind.

Falls die Vereinbarung ein heikles Thema betrifft, ist es noch wichtiger, sie gut „mit Beziehung zu umhüllen“ und langsam voranzugehen.

In der Zusammenarbeit mit muslimischen Eltern ist es hilfreich, die Rituale zu kombinieren: das Unterschreiben und das In-Beziehung- bleiben.

Wenn Sie mehr über die Zusammenarbeit mit Eltern erfahren wollen, holen Sie sich den Leitfaden: Leitfaden für die Zusammenarbeit mit muslimischen Eltern

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