Sie haben Lust, den Neustart wirklich neu zu gestalten und sich die Entspanntheit aus der entschleunigten Zeit mit in den Schulalltag mitzunehmen. Darum nehmen Sie sich vielleicht vor, beim Unterrichten für Erleichterung zu sorgen und suchen nach Unterstützung als Lehrperson.
Das Problem dabei ist, dass wir Menschen schnell wieder in altes Fahrwasser geraten. Dann sind wir sind frustriert, dass alles beim Alten bleibt. Dabei hätten wir uns so sehr gewünscht, das Neue umzusetzen.
Es gibt jedoch ein leicht verständliches Leitsystem, Neues fix zu verankern.
Weil das Neue so neu ist, ist es oft schwer und ungewohnt umzusetzen
Sie haben schon vieles getan, um Ihre Schüler*innen aus muslimischen Kulturen bestmöglich zu unterstützen, weil Sie möchten, dass sie bessere Chancen hierzulande haben. Jetzt mit dem Hochfahren der Schulen wäre eine gute Gelegenheit, mal etwas Neues auszuprobieren. Doch Sie möchten sicher gehen, dass nicht alles bleibt wie zuvor.
Mit 8 einfachen Fragen zur nachhaltigen Veränderung
Beim Unterrichten von Kindern aus anderen Kulturen kann es leicht passieren, dass das Gesagte nicht ankommt. Oft ganz einfach deswegen, weil Bedürfnisse da sind, an die man nicht gedacht hat oder die Sie in der Schule nicht so einfach erfüllen können.
Und dann kann sich’s mit dem Lernen spießen, obwohl Sie Ihr Bestes geben, diesen Kindern so viel wie möglich mit in die Zukunft zu geben.
Viele Kinder aus muslimischen (und nichtmuslimischen) Familien brauchen zuerst Beziehung mit Ihnen, bevor sie Sachinformationen aufnehmen können.
Doch eine Beziehung zu pflegen, kann im dichtgefüllten Schulalltag ganz schön herausfordernd sein. Zur Unterstützung für Sie als Lehrperson sind die folgenden Fragen gedacht.
8 Fragen können Ihnen Ihren Alltag erleichtern
Gerade im interkulturellen Kontext beachten wir viel häufiger die Defizite, z.B.: „Die Schülerin spricht nur wenig Deutsch“ (vs. Sie spricht insgesamt drei Sprachen und schreibt in zwei Schriftsystemen) oder „Der Schüler kann dem Unterricht nur wenig folgen“ (vs. Er ist talentiert im Umgang mit Computern).
Wir sprechen darüber, was die Eltern hätten besser machen können und welche Förderprogramme gestrichen wurden. Und auch darüber, dass es immer herausfordernder wird, Kinder mit anderen Erstsprachen überhaupt zu fördern.
Marilee Adams PhD, die sich ganz dem Thema Transformation verschrieben hat, hat „The Choice Map“ entwickelt. Eine Landkarte, mit der Sie selbst bestimmen, wie sich Ihr Alltag gestaltet. Anhand von 8 Fragen können Sie festgefahrene Situationen lösen.
Sie erklärt ihren Ansatz im Buch „Change your questions change your life“ (deutscher Titel: QT – Question Thinking. Die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen).
Sie beschreibt, dass wir immer die Wahl haben zwischen dem Weg des Verurteilens und dem Weg des Lernens. Hier ein Einblick in ihre Arbeit: https://inquiryinstitute.com/blog/how-mindset-can-impact-us-and-others/
Dass wir im Modus des Verurteilens sind, wird uns oft nicht bewusst. Doch kommen auch Fragen wie folgende in unserem Alltag vor:
Was stimmt mit mir nicht?
Was macht der Schüler falsch?
Wer ist schuld daran?
Warum sind die so blöd?
Was geht mich das an?
Diese Fragen bringen uns selten eine Lösung. Wir haben jedoch jederzeit die Möglichkeit, auf den Weg des Lernens zu wechseln. So können wir uns fragen, ob wir vielleicht gerade im Modus des Verurteilens sind.
Viel hilfreicher sind folgende Fragen:
1. Was ist passiert?
Zum Beispiel:
Alis Eltern sind nicht zum Elternsprechtag gekommen.
Ayʂes Mutter hat das Formular unterschrieben, aber sie hat sich nicht an die Vereinbarung gehalten.
Mehmet hat seinen kurdischen Mitschüler beschimpft.
2. Was möchte ich? Sowohl für mich als auch für meine Klasse
Zum Beispiel:
Ich möchte gehört und respektiert werden.
Ich hätte gern, dass sich alle Kinder in der Klasse sicher fühlen.
Ich wünsche mir, dass meine Schüler*innen von ihren Eltern unterstützt werden.
3. Was kann ich daraus lernen?
Zum Beispiel:
Ich werde mir bewusst, wo meine Grenzen sind, über die niemand drüber trampelt. Das vermittle ich auch mit aller Klarheit.
Ich nehme mir regelmäßig einen ruhigen Moment und beobachte, welche Bedürfnisse ich habe.
Ich beobachte, welche Bedürfnisse meine Schüler*innen haben.
4. Was denken, fühlen und brauchen meine Schüler*innen?
Zum Beispiel:
Fatima denkt, sie wird nie als Österreicherin gelten.
Timur fühlt sich resigniert und wütend.
Banu braucht Geborgenheit, Mitbestimmung und Verständnis.
Natürlich ist es unmöglich, diesen Punkt lösen zu wollen. Es geht hier nur mal darum, wahrzunehmen, was die Schüler*innen gerade bewegt.
5. Welche Annahmen habe ich?
Zum Beispiel:
Alis Eltern ist die Schule egal.
Rashid akzeptiert mich nicht, weil ich eine Frau bin.
Nisrins Vater ist unhöflich, weil er mir nicht die Hand gibt.
6. Was sind die Tatsachen?
Zum Beispiel:
Ich kenne Mohammeds Eltern kaum.
Turgut läuft in der Klasse umher.
Emre ist neu in der Schule.
7. Übernehme ich Verantwortung?
Zum Beispiel:
Bin ich den Kindern gegenüber genauso respektvoll, wie ich es mir von ihnen erwarte?
Würde ich so, wie ich mit den Kindern spreche, auch mit meinen Kolleg*innen reden?
Drücke ich mit meiner Körpersprache genau das aus, was ich sage?
8. Was kann ich jetzt am besten tun?
Zum Beispiel:
Ich nehme mir am Nachmittag 20 Minuten Zeit, um zu fühlen, was ich brauche.
Ich tu mich mit meinen Kolleg*innen zusammen und wir holen uns Unterstützung.
Ich spreche mit meiner Klasse über Lösungen.
Der Weg des Verurteilens ist der Weg der automatischen Reaktionen. Er konzentriert sich auf Probleme, lässt nur eine Sichtweise zu und denkt in Entweder-oder-Kategorien. Am Weg des Verurteilens sind Fehler schlecht und zu vermeiden. Auf diesem Weg gewinnt keiner – es geht nur um Schuldzuweisung.
Der Weg des Lernens legt die Basis für grundlegende Veränderung. Er schafft die Voraussetzung für eine Win-win-Beziehung, in der Unterschiede geschätzt werden und nicht ausgemerzt werden müssen.
Dieser Weg orientiert sich an Verantwortung und konzentriert sich auf Lösungen. Diese sind möglich, weil man Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und von Sowohl-als-auch-Denken ausgeht.
Am Weg des Lernens sind Fehler wünschenswert, weil sie lehrreich sind. Hier geht man davon aus, dass es eine unbegrenzte Zahl an Lösungen gibt.
Was man für diesen Weg braucht?
Neugierde
Jetzt ist die beste Gelegenheit, um mit diesen Fragen zu experimentieren
Versuchen Sie, Ihre Ideen für den Schulstart mit diesen Fragen zu kombinieren.
Beachten Sie, dass dabei Fehler erwünscht sind und es kein Richtig und Falsch gibt.
Beobachten Sie, wie es Ihnen dabei geht. Was fällt Ihnen schwer und was leicht?
Wenn Sie noch Anregungen für das Arbeiten mit Ihren muslimischen Schüler*innen brauchen, lesen Sie den Artikel https://dieorientalischewelt.com/3-tipps-wie-sie-als-lehrerin-von-muslimischen-schulern-respektiert-werden/
Sehr oft erreichen wir, dass der Alltag leichter wird, nur dadurch, dass wir einen Umweg gehen. Indem wir zuerst investieren und dann ernten. Der Weg des Lernens ist auch ein scheinbarer Umweg.
Schreiben Sie Ihre Erfahrungen mit diesem Ansatz in den Kommentar! So können Ihre Kolleg*innen von Ihnen lernen!
Kommen Sie mit muslimischen Eltern in Kontakt, damit Sie gemeinsam für die Kinder das Beste erreichen!
Ich übersetze für Sie die muslimischen Kulturen.