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Umgang mit Menschen aus steilhierarchischen Kulturen

Es gibt einen Bereich, in dem es viele Missverständnisse zwischen Menschen ohne Migrationshintergrund und Menschen aus muslimischen Kulturen gibt. Das ist der Bereich der Machtdistanz. Der Umgang mit Menschen aus steilhierarchischen Kulturen fällt manchmal deswegen schwer, weil die Haltung, die man hierzulande häufig gewohnt ist, genau das Gegenteil davon bewirkt, was man beabsichtigt.

Das ungeschriebene Gesetz hier lautet: „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst.“

Das ist zwar genau die Haltung, für die viele muslimische Migrant*innen die Gesellschaft hier so sehr schätzen, doch speziell bei Neuangekommenen funktioniert diese Umgangsweise oft nicht. Und das löst viele Gefühle aus.

Nicht einmal der Ansatz: „Behandle andere so, wie sie selbst behandelt werden wollen,“ ist besonders hilfreich. Sondern:

„Behandle andere so, wie es Sinn macht.“

Um zu wissen, was Sinn macht, ist es wichtig, zu verstehen, wie steilhierarchische Kulturen funktionieren.

Der Kulturwissenschaftler und Sozialpsychologe Geert Hofstede bezeichnete steile Hierarchien als Kulturen mit hoher Machtdistanz. In solchen Kulturen wird Ungleichheit an Privilegien als normal akzeptiert. In vielen muslimischen Kulturen herrscht so eine hohe Machtdistanz.

Wobei man sagen muss, dass es in allen Ländern der Welt Hierarchien gibt. Es gibt überall ein Staatsoberhaupt. Und auch in den Institutionen wie Schule, Krankenhaus, Verwaltung gibt es verschiedene Hierarchieebenen.

Es gibt jedoch auch Kulturen, wie beispielsweise Tuareg-Stämme, die keine Hierarchien haben. Diese haben allerdings auch keinen Staat. Weil sich das gegenseitig ausschließt.

Was flachhierarchische von steilhierarchischen Kulturen unterscheidet, ist die Partnerschaftlichkeit, die man hierzulande im Umgang untereinander immer mehr pflegt. Man behandelt einander auf gleicher Augenhöhe.

In steilhierarchischen Kulturen steht so gut wie immer eine Person über der anderen. Wenn man auf eine neue Person trifft, wird in den ersten Momenten der Begegnung unbewusst abgeklärt, wo man in Bezug auf das Gegenüber steht.

Dieses Taxieren erfolgt in den meisten Kulturen. Doch in steilhierarchischen Kulturen braucht man die daraus gewonnenen Informationen, um die nächsten Schritte zu setzen.

Wer darüber oder darunter steht, hängt von der Rolle, der Position, dem Expertentums der Person ab. Aber vor allem von den Zeichen der Macht, die diese ausstrahlt.

Zeichen der Macht

An diesen Zeichen kann man erkennen, wann Respekt und Gehorsam gefordert sind. Entdeckt man diese Zeichen nicht, ist man selbst gefordert, seine Macht zu demonstrieren.

Dies ist ein Automatismus – der nicht böse gemeint ist – doch eben automatisch ausgelöst wird. Das funktioniert wie bei einer Kinderwippe: je weiter die eine Person nach oben geht, umso weiter geht die andere nach unten und umgekehrt.

Die Person, die oben steht, strahlt mit jeder Faser ihres Seins Autorität aus. Die Person, die unten steht, nimmt eine demütige Haltung ein.

Von Autoritätspersonen wie Lehrenden, Ärzt*innen, Beamten, usw. wird erwartet, dass sie sich über die andere Person stellen und die Führung übernehmen

Diese Autorität hat die Macht und das Sagen, jedoch auch die Verantwortung für das Wohl der Gruppe von Menschen, die sie führt. Ihre Haltung ist üblicherweise eine von wohlwollender Autorität.

Partnerschaftliches Verhalten kann von Menschen, die diese noch nicht gewohnt sind, als Inkompetenz oder Unterwerfungsgeste missverstanden werden.

Wenn es als Unterwerfungsgeste missverstanden wird, reagieren manche darauf mit forderndem Verhalten.

Und das sind dann die Momente, die Irritationen oder Empörung hervorrufen. Wenn man sich besonders um das Gegenüber bemüht und dann damit Forderungen erntet.

Die Person, die über der anderen steht, bedient sich, wie gesagt, der Zeichen der Macht. Bereits Kinder haben in steilhierarchischen Kulturen dafür sehr feine Antennen entwickelt.

Menschen aus flachhierarchischen Kulturen schenken diesen Zeichen meist keine Beachtung

Diese Zeichen der Macht können Statussymbole wie Kleidung, Fahrzeuge, Uhren, Schmuck, Handys, teure Stifte, … sein.

Viel öfter jedoch werden körpersprachliche Zeichen der Macht wie Gestik, Mimik, Stimme, Sprache, Wortwahl oder Distanz eingesetzt.

Achten Sie einmal darauf, wie häufig Sie den Kopf einen Hauch auf eine Seite neigen. Diese unscheinbare Haltung schreit für Menschen aus steilhierarchischen Kulturen besonders laut.

Im Buch „Statusspiele“ beschreiben Tom Schmitt und Michael Esser vier Statushaltungen:

Ich fühle innen:

  1. hoch und spiele außen tief
  2. hoch und spiele außen hoch
  3. tief und spiele außen hoch
  4. tief und spiele außen tief

Wenn man sympathisch wirken will, spielt man außen tief, bewirkt jedoch damit, dass man auf der „Kinderwippe der Machtdistanz“ nach unten geht. Was wiederum bewirkt, dass das Gegenüber nach oben geht.

Tom Schmitt erklärt die Auswirkungen von Hoch- und Tiefstatus in seinem Kurzvideo: https://youtu.be/CUcyIDsWhyc

Körpersprachliche Zeichen für den Tiefstatus sind: Kopf schräg halten, sich klein machen, Gesicht oder Kopf berühren, hektische Bewegungen, Bein einknicken.

Zeichen für Hochstatus umfassen: erhobener Kopf, breitbeinig stehen, langsame Bewegungen, Raum einnehmen, fester Stand am Boden, klare, ruhige, tiefe Stimme.

Doch aus geschichtlichen Gründen hat man hierzulande manchmal Schwierigkeiten, die Führung zu übernehmen.

Wie schafft man also den Umgang mit Menschen aus steilhierarchischen Kulturen?

Wenn einem der autoritäre Stil zuwider ist und man dennoch als Lehrperson, Ärztin/Arzt, Beamter die Führung übernehmen soll?

Es ist wichtig, eine gut sortierte Garderobe zu haben. Im übertragenen Sinn.

Wenn Sie eher der Jogginghosen-Typ sind, macht es dennoch Sinn, einen Businessanzug/ ein Businesskostüm im Kleiderschrank zu haben. Für das Vorstellungsgespräch oder das Bankgespräch.

Wo Sie mit Businesskleidung mehr erreichen als mit Jogginghose. Und dennoch innerlich Sie selbst bleiben.

Sie können – so wie Kleidung – auch verschiedene Rollen und Haltungen ausprobieren. Und mit der Situation spielen und beobachten, was passiert.

Tom Schmitt und Michael Esser schreiben: „Die intelligenteste Form des Status-Kampfes ist das bewusste Statusspiel. Dabei geht es nicht darum, recht zu haben, sondern seine Interessen klug durchzusetzen.“

Wichtig dabei ist, klar zu sein.

Dafür muss man sich vor dem jeweiligen Gespräch einen ruhigen Moment nehmen, und sich selbst klar werden, was einem wichtig ist und was nicht.

Wenn man im Inneren eine respektvolle, wohlwollende Haltung einnimmt und sich im Außen klar verhält und Halt gibt, gelingt der Umgang mit Menschen aus steilhierarchischen Kulturen am besten.

Wichtig ist es auch, sich bewusst zu werden, welche Botschaften man (unbewusst) aussendet.

Wenn Sie wissen möchten, wie Sie Konflikte lösen können, lesen Sie meinen Blogartikel: Konflikte mit muslimischen SchülerInnen & Eltern erkennen und lösen …

 

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